Wohnungsnot
Strategie des Kantons Zug wirkt zu zögerlich
Maria Greco ist Erzählerin, Autorin und Veranstalterin. Foto: zvg
Wer in die Welt von Maria Greco eintaucht, der lässt sich auf Geschichten, Sagen und Märchen ein. Es ist die Welt einer besonderen Wirklichkeit, die uns vielleicht erst ermöglicht am Leben zu bleiben. Wir sprachen mit der Baarerin, die derzeit den Hexen auf der Spur ist.
Sie vereinen in Ihrer Person Geschichtenerzählerin, Leseperformerin, Veranstalterin und Autorin. Gab es einen bestimmten Moment oder eine bestimmte Erfahrung, die Sie dazu veranlasst hat, diesen Weg einzuschlagen?
Es hat sich alles im Laufe der Jahre so entwickelt. Als ausgebildete Sprecherin habe ich früher meine Stimme für alles Mögliche «geliehen», für Werbung, Vertonungen, etc. Später, nach meiner Ausbildung, habe ich mit Leseperformances angefangen. Dann war ich eine Zeit lang in Zürich in einer Sprechgruppe. Das war dann der Beginn für meine solo Leseperformances, im Stil von Spoken-Word Beiträgen. Damit bin ich in Zürich hin und wieder an einer offenen Bühne aufgetreten. Dieses Format der offenen Bühne habe ich dann nach Zug gebracht und mittlerweile veranstalte ich die älteste offene Bühne der Schweiz, den Schrägen Mittwoch. Geschrieben habe ich schon immer. Für die DADA-Soirées meine eigenen Texte, Bühnenprogramme oder Theatertouren. Mit dem Buch «Zuger Sage, Legände und Gschichte» habe ich mein erstes Buch veröffentlicht. Ich schreibe auch immer wieder für das Heimatbuch Baar oder mehrmals pro Jahr für Zentralplus über Sagen und Legenden im «Damals» Blog.
Was ist so faszinierend an der Sprache und am Umgang mit ihr?
Ich liebe die deutsche Sprache, sie ist so vielfältig, präzis, aber auch komplex. Deutsch war nicht meine Muttersprache, sondern italienisch. Aber auf Deutsch zu schreiben oder zu lesen hat mir nie Mühe bereitet. Heute ist Deutsch meine erste und italienisch meine zweite Muttersprache. Unsere Sprache hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Sie ist globaler geworden. In der deutschen Sprache finden sich viele Anglizismen und neue Wortkreationen wieder. Heute sind im Duden Wörter, die wären vor fünfzig oder hundert Jahren undenkbar gewesen. Das ist auch mit den verschiedenen Mundarten so. Wir sprechen im Mittelland nicht mehr so divers, wie das vor hundert Jahren der Fall war. Das heisst, früher erkannte man an einzelnen Ausdrücken, aus welcher Gegend des Kantons jemand stammte, diese feinen Unterschiede sind nicht mehr so ausgeprägt. Die Sprache hat sich angepasst. Aufgrund der regen Veränderungen, der höheren Mobilität, der Durchmischung, sind ganz viele Wörter aus unserem Sprachwortschatz verschwunden, dafür haben viele neue Einzug gehalten. Sprache war und ist ein Spiegel der Zeit und stetig im Wandel. Das ist mit allen Vor- und Nachteilen, auch gut so. Wörter oder Begriffe verschwinden oder ändern sich, sie sind im täglichen Gebrauch nicht mehr wichtig oder wurden durch neue ersetzt. Man muss sie nicht zwingend künstlich beatmen und am Leben erhalten, aber daran erinnern, dass es sie gegeben hat, ist nicht falsch.
Welche Autoren haben Sie in Ihrer Kindheit und Jugend am meisten beeinflusst?
Die Kinderbücher von Enid Blyton, «Fünf Freunde», habe ich verschlungen. Später dann alle Karl May Romane, aber auch Moby Dick von Melville, Robinson Crusoe oder Agatha Christie fand ich spannend. Ich habe mich durch die damals kleine Baarer Bibliothek durchgelesen. In meiner Jugendzeit war Hesses «Siddhartha» sicher prägend. Ich war und bin eine Leseratte.
Und heute?
Soeben habe ich wieder einen Rucksack voll Bücher nach Hause geschleppt. Oje. In jeder Ecke des Hauses stapeln sich Bücher. Ich lese zahlreiche Sachbücher, zu den unterschiedlichsten Themen, meistens mit historischem oder volkskundlichem Bezug. Diese dienen mir für meine Arbeit als Geschichtenerzählerin. Ich lese aber auch sehr gerne zeitgenössische Schweizer Autoren. Auf dem Nachttisch liegen derzeit gerade Simon Chen sowie ein Sachbuch zum Leben der Wikinger. Natürlich auch mehrere in italienischer Sprache, so von Gianrico Carofliglio oder Andrea Camilleri. Je nach Stimmung und Lust lese ich mal in diesem und mal in jenem. Und im Hinblick auf die DADA-Soirée im Kunstkiosk, Ende August, wird sich die Beige mit entsprechender Literatur erhöhen.
Gibt es ein Buch – oder vielleicht mehrere –, das Sie immer wieder lesen können, ohne sich jemals zu langweilen?
Da gäbe es doch einige, aber diese hier alle aufzuzählen, finde ich schwierig. Immer wieder gerne lese ich Oscar Wilde. Seinen Humor finde ich vorzüglich. Als Sommerlektüre und im Hinblick auf den DADA-Abend, werde ich wieder die Bücher der Wiener Gruppe bereitlegen, Achleitner, Jandl oder H.C. Artmann. Sehr gerne lese ich Kurzgeschichten, aber auch Gedichte.
Geschichtenerzählerin ist wohl nicht nur für Kinder einer der spannendsten Berufe. Oder soll ich besser sagen: Berufung?
Es ist ein spannender Beruf und sehr abwechslungsreich. Zudem ist es auch ein Handwerk. Ich denke, es war schon etwas wie Berufung. Ich erzähle vor allem für Erwachsene, aber auch Kinder gehören zu meinem Publikum. Es spielt eigentlich keine Rolle, ob ich eine Geschichte lese, spiele oder erzähle. Wichtig ist, wie ich sie erzähle. Eine Geschichte muss packen. Sie sollte dramaturgisch gut aufgebaut sein. Schliesslich sollen beim Zuhörer Bilder im Kopf entstehen.
Sie möchten Geschichten zum Leben erwecken und die Zuhörerinnen und Zuhörer aus dem Alltag entführen. Kann man so etwas lernen?
Man kann das lernen, aber es braucht nicht nur Theorie. Eine Geschichte sollte berühren und bei den Zuhörerinnen und Zuhörer etwas auslösen.
Gibt es ein besonders berührendes oder unvergessliches Erlebnis, dass Sie mit Ihrem Publikum geteilt haben?
Es geschehen immer wieder lustige, manchmal auch sonderbare Situationen, die aus dem Moment entstehen oder aufgrund der Geschichte, die ich gerade erzähle. Aber spontan weiss ich jetzt grad nicht, welche ich erwähnen sollte.
Können Sie uns etwas über Ihre Arbeit als Autorin erzählen? Was sind für Sie die begeisterndsten Projekte oder Geschichten, die Sie erschaffen haben?
Mein neustes Projekt, die Theatertour zum letzten grossen Hexenprozess im Kanton Zug, war sicher eines der aufwendigsten Projekte. Und es ist nach wie vor ein Work-in-Progress. Ich musste wirklich viel über dieses Thema lesen. Diese Zeit war politisch und gesellschaftlich sehr komplex und die Zusammenhänge nicht immer einfach zu verstehen. Da ich keine Historikerin bin, war und bin ich auf Hilfe angewiesen. An dieser Stelle danke ich natürlich allen, insbesondere Philippe Bart, die mir immer wieder geduldig meine Fragen beantworten.
Sie arbeiten jetzt schon eine geraume Zeit in der Welt der Kultur. Welche Veränderungen haben Sie in den Jahren in der Theater- und Kulturlandschaft bemerkt, insbesondere in Bezug auf das Geschichtenerzählen?
Wir leben in einer hektischen und oberflächlichen Zeit. Vor Corona war das viel ausgeprägter. Dann gab es eine Zäsur. Seitdem, finde ich, ist man weniger verbindlich, man plant nicht mehr langfristig, man will sich nicht festlegen. Man bucht eine Veranstaltung erst im letzten Moment. Das macht es für mich als Organisatorin nicht immer einfach. Aber es gibt auch die andere Seite. Man nimmt sich gerne Zeit. Zeit zum Zuhören, zum Entschleunigen. Als Erzählerin bekomme ich immer wieder zu hören, dass es schön war, sich auf die Geschichten einlassen zu können. Ich finde es sehr wertvoll, dass man sich Zeit nimmt.
Aktuell sind Sie den Hexen im Kanton Zug auf der Spur. Sie führen mit Ihrer Theatertour zu den Schauplätzen des letzten grossen Hexenprozesses im Kanton. Sind Hexen nicht in Wahrheit eine durchaus positive menschliche Spezies?
Diese sogenannten «Hexen» waren Menschen wie du und ich. Es gab bestimmt solche darunter, die über besondere Fähigkeiten verfügten, wie zum Beispiel Kräuterkundige, die Kranke pflegten oder Hebammen waren. Andere wiederum waren heimatlos, kamen aus den untersten sozialen Schichten. Waren Mägde, Weberinnen, Wäscherinnen. Und es gab ja nicht nur Frauen, die der Hexerei bezichtigt wurden, sondern auch Männer und Kinder. Der Hexerei konnte jeder oder jede angeklagt werden, die nicht in das damalige politische und soziale Schema passte. Dabei spielten einerseits klimatische und wirtschaftliche Bedingungen eine grosse Rolle, andererseits aber auch die ganz natürlichen, menschlichen Eigenschaften wie Hass, Neid und Rache. Dies war vermutlich auch beim letzten Hexenprozess wohl der Fall. Eine junge Frau denunzierte zahlreiche Menschen aus ihrem Umfeld und beschuldigte sie der Hexerei. Die Tour zeigt aber auch, was Macht bewirken kann und dass sich der Mensch in mancher Hinsicht nicht wirklich verändert hat.
Uwe Guntern
Die Tour vom 23. Juni ist ausgebucht. Die Herbsttouren beginnen am 16. September 2024. Weitere Daten, Infos und Anmeldung auf der Websitewww.mariagreco.ch
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