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LucianHofstetterläuft für einenguten Zweck
Die neuausgebildeten transkulturellen psychosozialen Counselors und die Verantwortlichen des Projekts ComPaxion. Unsere Gesprächspartnerinnen sind Esther Oester (Bildmitte mit Brille) und Fatos Taser (4. von rechts). Foto: Cornelius Fischer
Der Verein «Paxion, psychosozialer Support für Geflüchtete» feierte mit Zertifikatsübergabe an die Teilnehmenden den Abschluss der ersten Weiterbildung zum transkulturellen psychosozialen Counselor. Diese bieten psychologische Beratung für Personen aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich in den Kantonen Aargau und Zug in 14 Sprachen an.
Wenn Menschen aus ihrem Heimatland flüchten müssen, treten sie nicht nur eine Reise in eine ungewisse Zukunft an. Sie bringen vielfach traumatische Erlebnisse mit, die sie allein nicht verarbeiten können. Sie benötigen psychologische Hilfe und Betreuung. Nur: Im Asylland ist es für einheimische Psychologinnen und Psychologen vielfach schwer, wegen den kulturellen Unterschieden den richtigen Zugang zur zu betreuenden Person zu finden oder es besteht ein sprachliches Verständigungsproblem.
Das Projekt ComPaxion begann am 4. September 2023 mit der ersten Weiterbildung für sogenannt transkulturelle psychosoziale Counselor. Vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge sowie andere Personen mit Migrationshintergrund, die eine fachliche Vorqualifikation aufweisen, lernten in der Weiterbildung, neuangekommene Personen aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich in ihrer Lebenssituation psychologisch zu beraten.
«Unter den Geflüchteten gibt es hochqualifizierte Personen, die in der Schweiz nicht in ihrem Beruf arbeiten dürfen, weil ihre Diplome nicht anerkannt werden. Es ist eine Win-Win-Situation, dass sie in unserem Projekt eine Weiterbildung machen und gleichzeitig anderen helfen können», sagt Esther Oester, Geschäftsleiterin von Paxion, psychosozialer Support für Geflüchtete.
Dass Menschen anderen Menschen aus einem ähnlichen Kulturkreis psychologisch Hilfe bieten, klingt logisch. Die Umsetzung ist komplizierter. «Auf nationaler wie kantonaler Ebene wurde die Idee begrüsst, dafür zuständig wollte aber niemand sein», erklärt Esther Oester. Der von ihr mitbegründete Verein Paxion stellte dann mit Hilfe von Ipso - International Psychosocial Organisation, einer humanitären Institution, das Pilotprojekt ComPaxion zusammen. Die Kantone Aargau und Zug machen beim Pilotprojekt mit. Der Zuger Regierungsrat unterstützt das Projekt in den Jahren 2023 bis 2025 mit einem Beitrag in der Höhe von insgesamt 100'000 Franken aus dem Lotteriefonds. Das Ziel ist, den Zugang zu Hilfsangeboten für psychisch belastete Personen zu erleichtern und die Lücke an Hilfsangeboten zu schliessen.
Die von Paxion angebotene einjährige Weiterbildung bestand aus einem dreimonatigen Intensivtraining und einem anschliessenden neunmonatigen Praktikum in kantonalen Asylunterkünften, so im alten Kantonsspital in Zug. Die möglichen Kandidatinnen und Kandidaten für die Counselor-Ausbildung wurden per Ausschreibung in den beiden Kantonen gesucht. Von den 130 Bewerbenden blieben nach einem Auswahlverfahren 17 Personen, welche die einjährige Ausbildung durchlaufen konnten. «Voraussetzung war, dass die Auszubildenden aus einem passenden Beruf kommen, also Gesundheit, Psychologie, Soziale Arbeit oder Pädagogik und das Beherrschen der deutschen Sprache. Wir suchten Personen mit Empathie und stabiler Persönlichkeit. Wir wollten eine gewisse Anzahl Sprachen abdecken. Wichtig war auch ein ausgewogener Anteil von Frauen und Männern», erklärt Esther Oester einige Voraussetzungskriterien.
Während des Praktikums haben über 400 Geflüchtete in den Kantonen Aargau und Zug ein Counseling in der eigenen Sprache in Anspruch genommen. Der Bedarf dieser niederschwelligen psychologischen Beratung in der eigenen Sprache hat sich damit bestätigt. Laut einer Studie des Bundesamt für Gesundheit BAG leiden 40 bis 80% der Asylsuchenden an psychischen Folgen von traumatischen Erlebnissen, die sie in ihrem Herkunftsland oder auf der Flucht durchgemacht haben. Bisher waren weniger als 10% der Betroffenen in einer spezifischen Behandlung.
An der Zertifizierungsfeier konnte der Paxion Zertifikate an 17 transkulturelle psychosoziale Counselor übergeben. Im Betrieb sind die Counselor bei Paxion angestellt und bieten den Geflüchteten in den Kantonen Aargau und Zug eine psychologische Beratung unter anderen in den folgenden Sprachen an: Amharisch, Arabisch, Dari, Farsi, Kurdisch, Paschtu, Tigrinya, Türkisch, Ukrainisch und Russisch.
Ziel des Beratungsangebot für geflüchtete Menschen, die psychisch belastet sind, ist, die Belastungen anzugehen, bevor diese ein klinisch relevantes Ausmass annehmen. Eine Besserung der psychischen Gesundheit stärkt die Autonomie der Geflüchteten, fördert ihre Integration in die Gesellschaft – und damit den Zugang zu Arbeit, Bildung und Kultur. Durch die frühe Unterstützung von Geflüchteten in der eigenen Sprache werden Ressourcen der psychiatrischen Versorgung geschont und entsprechende Kosten für das Gesundheitssystem, für Arbeitgeber und im Bereich der Sozialhilfe gemindert oder eingespart.
Die Pilotphase für ComPaxion läuft bis 2027. «Aargau und Zug haben ihre Mitfinanzierung zugesagt. Wir sind auf weitere Mittel angewiesen, zum Beispiel von Stiftungen», sagt Esther Oester, die hofft, dass bald weitere Kantone mitmachen. «Es liegt noch viel Arbeit vor uns. Wir müssen zum Beispiel Geflüchtete, die eine psychologische Beratung benötigen, vielfach noch überzeugen, sich einer anderen Person zu öffnen, weil das in ihrer Kultur nicht üblich ist. Die Ansprache dieser Personen muss richtig sein, da müssen auch wir noch dazulernen.»
Renato Cecchet
«Wir können einer geflüchteten Person helfen, wieder ein Leben zu finden»
Fatos Taser ist geborene Türkisch-Zypriotin. Sie hat Psychologie studiert, hat als Schulpsychologin gearbeitet und ist seit 3 Jahren in der Schweiz. Sie hat Deutsch gelernt und hat jetzt die Weiterbildung zur transkulturellen psychosozialen Counselor abgeschlossen.
Frau Taser. Warum haben Sie sich dafür entschieden, diese Weiterbildung zu machen?
Ich habe die Ausschreibung gesehen und gedacht, mir ist es wichtig, Menschen zu helfen. Die Idee der psychosoziale Beratung in der Muttersprache und aus der gleichen Kultur hat mich sehr angesprochen.
Wie bereiten Sie sich auf ein Gespräch vor?
Es geht um das Hier und Jetzt. Die geflüchtete Person befindet sich in einer schwierigen Lage: Zuerst die Flucht, dann das Ankommen in einer anderen Kultur, die Flüchtlingsunterkunft, die zwar sicher, aber trotzdem fremd ist. Meine Zielsetzung ist, dieser Person, das Gefühl der Hilflosigkeit zu nehmen, Sie soll spüren, dass nicht alles verloren ist, dass sie ihr Leben weiter selbst beeinflussen und kontrollieren kann.
Was ist die grösste Herausforderung für Sie in diesen Gesprächen: Die schlimmen Geschichten, die Sie hören, oder einen Zugang zu einer traumatisierten Person zu finden?
In allen Fällen gilt es, Vertrauen zu dieser Person aufzubauen. Denn genau das hat sie nicht mehr – Vertrauen. Nicht zu ihrem Heimatland, nicht zu all den Personen in der Unterkunft, die sie nicht kennt. Wir können die Lebensumstände dieser Person nicht verändern. Es ist normal sich hilflos zu fühlen, aber im Gespräch findet man heraus, dass man nicht total hilflos ist. Man kann Wege finden, das Leben stärker in die eigenen Hände zu nehmen und einen Sinn im Leben zu finden. Wir müssen empathisch auftreten, in Augenkontakt bleiben. Vielfach bin ich der erste Mensch, dem eine geflüchtete Person ihre Geschichte erzählt.
In der Ausbildung lernen Sie auch, die Geschichten der von Ihnen betreuten Personen nicht zu nahe an Sie selbst heranzulassen. Wie gehen Sie persönlich mit diesem Problem um?
Ich muss mich darauf konzentrieren, meine Emotionen im Zaum zu halten. Wir müssen lernen stabil zu sein gegenüber viel negativer Energie. Wir sehen Hilflosigkeit, hören Selbstmordgedanken und vieles mehr. Ich bin so weit, dass diese Geschichten nicht in meinem Kopf bleiben. Ich habe ein Privatleben als Mutter und betreibe Hobbies.
Wie gut fühlen Sie sich nach der Ausbildung vorbereitet auf die anspruchsvolle Aufgabe, die auf Sie zukommt?
Ich bin auch keine Schweizerin, bin ebenfalls neu hier. Aber ich kann anderen helfen, dass sie in diesem Land eine Identität finden. Deshalb mache ich diese Arbeit gerne.
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