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LucianHofstetterläuft für einenguten Zweck
Eisschnellläuferin Jasmin Güntert aus Alosen hat EM-Bronze in der Teamverfolgung gewonnen und will sich jetzt für die WM Mitte Februar qualifizieren. Ihr grosser Traum ist die Olympiateilnahme 2026.
Wie ist das Leben nach EM-Bronzemedaille, die sie zusammen mit Kaitlyn McGregor und Ramona Härdi in der Teamverfolgung für die Schweiz am 7. Januar im niederländischen Heerenveen gewonnen haben?
Eigentlich nicht viel anders als vorher. Wir konnten nicht lange feiern, da wir gleich in die USA weitergereist sind.
Sie sind aktuell in der Mormonenhauptstadt Salt Lake City (Utah). Was machen Sie dort?
Ich bestreite mit dem Schweizer Team Ende Januar ein Weltcuprennen. Die Vorbereitung für die nächste Saison steht auch bereits an. Die Bronzemedaille an den Europameisterschaften sorgt bei uns natürlich für einen zusätzlichen Motivationsschub. An den Weltcuprennen in Utah haben wir ausserdem die Chance, uns für die Weltmeisterschaften vom 15. bis 18. Februar in Calgary (Kanada) zu qualifizieren.
Sie kommen aus Alosen. Da fährt man den Berg hoch auf den Raten-Pass oder hinunter nach Oberägeri, im Bus, Auto, Motorrad oder auf dem Velo. Was hat Sie auf die Eisschnelllauf-Schlittschuhe gebracht?
Zusammen mit meinen beiden Schwestern habe ich 2004 mit Inline-Skating angefangen. Wir haben dann auch eine Trainingsmöglichkeit im Winter gesucht und haben so in Zürich zum Eisschnelllauf auf einer 250-Meter-Bahn gefunden. Ich habe mich dann auf das Eisschnelllaufen fokussiert, weil mich der Sport mehr fasziniert hat und Eisschnelllauf olympisch ist im Vergleich zum Inline-Skaten.
Eisschnelllaufen ist in der Schweiz eine Randsportart. Es gibt kaum Infrastruktur, um den Sport zu trainieren. Trotzdem haben Sie sich für den schellen Eislauf im Rund entschieden.
Mich hat die Leidenschaft für diesen Sport gepackt. Auch wenn ich dafür viel reisen muss. Im Winter trainieren wir im bayrischen Inzell, im Sommer auf den Inline-Skates ebenfalls im deutschen Geisingen. Ich kann zum Glück auf Eltern zählen, die mich als Kind immer hin- und zurückgefahren haben.
Ihre ältere Schwester Vera ist auch beim Eisschnelllauf geblieben und ist wie Sie Teil des Schweizer Teams. Wie wichtig ist das für Sie?
Wir pushen uns gegenseitig. Vera ist letzte Saison in der Teamverfolgung regelmässig zum Einsatz gekommen, in dieser Saison bin ich es. So ist es auch ein Konkurrenzkampf untereinander. Aber wir fühlen gegenseitig miteinander. Weil wir nur noch wenig zu Hause sein können, sind wir natürlich auch froh, dass wir das sportliche Abenteuer zusammen als Teil der Familie bestreiten dürfen.
Wie organisieren Sie ihr Leben, wenn sie immer im Ausland unterwegs sind, zum Training oder zu einem Start an einem Wettkampf?
Grundsätzlich werden wir vom Verband betreffend Organisation wenig unterstützt. Ausser den offiziellen Meldungen für die Weltcuprennen, müssen wir alles selbst organisieren. So koordinieren wir im internationalen Team zusammen mit unserem Privattrainer Kalon Dobbin sämtliche Trainingsblöcke und auch die internationalen Wettkämpfe. Nach Salt Lake City sind wir nun fast drei Wochen vor dem Weltcuprennen angereist. Gerade in dieser Stadt, die auf fast 1300 Meter über Meer liegt, dauert die Anpassung an die Luftverhältnisse etwas länger. Wir logieren hier in einem Bed & Breakfast und kochen selbst. Ein Hotel wäre zu teuer, da die finanzielle Unterstützung des Verbandes leider sehr bescheiden ist, so müssen wir auch unseren Trainer selbst bezahlen.
Wie können Sie ihren Sport finanzieren? Viel Unterstützung gibt es wahrscheinlich kaum.
Es gibt kleinere Sponsoren, die mithelfen. Der Kanton Zug und die Stadt Zug leisten Beiträge an Trainings und Wettkämpfe oder Prämien für Erfolge. Zudem unterstützt mich auch die Schweizer Armee. Es sind aber nach wie vor meine Eltern, die den grössten Teil der Ausgaben übernehmen.
Richtig, Sie haben die Sportlerinnen-Rekrutenschule absolviert. Wie gut hat Ihnen das geholfen?
Das war eine megacoole Zeit. Ich habe persönlich viel gelernt und konnte mit Sportlerinnen und Sportlern aus anderen Disziplinen trainieren und austauschen. Ich absolvierte drei Wochen Grundausbildung und einen Militär-Sportleiter-Kurs. Danach hatten wir die restlichen 13 Wochen Zeit zum Trainieren. Ich habe viel gelernt über Themen wie Ernährung oder Regeneration. Die Trainingsmöglichkeiten oder auch die Physiotherapie im Nationalen Sportzentrum in Magglingen sind optimal. Da ich jetzt nach Absolvierung der Rekrutenschule WK-Tage in Form von Trainings und Wettkämpfen leisten kann, erhalte ich dafür finanzielle Unterstützung.
Sie studieren auch noch Wirtschaft im Fernstudium. Wie bringen Sie das zusammen mit ihrer sportlichen Tätigkeit unter einen Hut?
Ich hoffe, dass ich im Sommer abschliessen kann. Ich muss noch ein Modul absolvieren und dann noch die Bachelorarbeit schreiben. Das ganze Studium ist online, die Vorlesungen, die Prüfungen. So kann ich es orts- und zeitunabhängig absolvieren neben den Trainings und Wettkämpfen. Aber es verlangt einmal mehr Selbstdisziplin. Das Studium ist für mich ein guter Ausgleich zum Spitzensport. So kann ich mich auf etwas anderes konzentrieren und vom Sportalltag abschalten.
Sie feiern Erfolge in der Teamverfolgung. Zwei Teams mit je drei Läuferinnen starten gegeneinander, eines von der Ziel- und das andere von der Gegengeraden. Wer nach sechs Runden die Ziellinie als Erste überquert, hat gesiegt. Die EM-Bronzemedaille haben sie zusammen mit Kaitlyn McGegor, die früher Eishockey gespielt hat, und Ramona Härdi gewonnen. Zum Team gehören auch ihre Schwester Vera Güntert und Nadja Wenger. Wie würden Sie ihren Zusammenhalt beschreiben?
Wir trainieren schon lange zusammen. Dass der Zusammenhalt gut ist, zeigen die letzten Resultate. Würden wir nicht zusammen funktionieren, wäre EM-Bronze nicht möglich gewesen. Das Training zu fünft ermöglicht es uns, bessere und intensivere Trainingseinheiten zu absolvieren. Wir haben auch mehrere Möglichkeiten, die Reihenfolge im Team zu bestimmen und so auf die einzelnen Stärken jeder Läuferin einzugehen. Zudem können wir auch bei Krankheit oder Verletzungen von Teammitgliedern reagieren und trotzdem mit einem Topteam an den Start gehen.
Sie sind auch als Einzelläuferin schnell unterwegs, über 500 und 1000 Meter. Wie sieht ihre persönliche Zielsetzung aus? Weiterhin auf das Team setzen oder vermehrt auf die Solo-Kategorie?
Der Fokus liegt auf dem Team. Aber ich muss auch als Einzelläuferin Zeitlimiten erreichen, damit ich für das Team qualifiziert bin. Das gemeinsame Training wirkt sich positiv auf meine Zeiten als Einzelläuferin aus. Ich will aber auch vermehrt in Einzelkategorien starten.
EM-Bronze war erst die dritte Medaille, welche die Schweiz in dieser Sportart gewonnen hat. Mit Livio Wenger ist auch ein Schweizer Läufer seit ein paar Jahren stark unterwegs. Ist ihre Sportart im Aufschwung?
Nach dem Gewinn der EM-Medaille hat Fernsehen SRF in Salt Lake City einen Beitrag über das Team für das Sportpanorama gedreht. Das war eine schöne Überraschung für uns und zeigt, dass die öffentliche Wahrnehmung für den Eisschnelllauf am Steigen begriffen ist. Die Erfolge von Livio Wenger im Weltcup und unser Medaillen-Coup helfen sicher, die Sportart populärer zu machen. Und uns selbst spornt es an, das ganz grosse Ziel anzupeilen: Die Olympischen Winterspiele 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo. Aber es geht nicht über Nacht. In der Schweiz muss viel mehr für die Nachwuchsförderung getan werden, damit unser Sport hier überhaupt eine Zukunft hat.
Renato Cecchet
Zur Person
Jasmin Güntert kommt aus Alosen, einem Dorf in der politischen Gemeinde Oberägeri. Seit 14 Jahren betreibt die 23-Jährige Eisschnelllauf. Sie und ihre Schwester Vera Güntert sind Mitglied des Schweizer Frauenteams. Jasmin Güntert studiert Wirtschaft im Fernstudium. Ihr grösster Erfolg ist die EM-Bronzemedaille in der Teamverfolgung.
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