Veloverkehr
Kanton setzt auf gezielte Sicherheits- Massnahmen
In den letzten Monaten sind verschiedene Sparentscheide von Bundesrat und Parlament gefällt worden. Diese führen im Bundesamt für Gesundheit (BAG) zu direkten Kürzungen. Der in Zug ansässige Verein Kind+Spital weist darauf hin, dass auch die Kindermedizin davon betroffen sein wird.
Insbesondere die Datenbank für Kinderarzneimittel (SwissPedDose) wird ab 2026 nicht mehr vom BAG unterstützt werden, wie Kind+Spital in eine Medienmitteilung erklärt. Darüber unterhielten wir uns mit Sabine Feierabend, Präsidentin des gemeinnützigen Vereins.
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der Kürzungen auf die Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz?
Es wird an der falschen Stelle und auf Kosten der Versorgungssicherheit von Kindern und Jugendlichen gespart. Es kann nicht sein, dass sich die öffentliche Hand aus ihrem Versorgungsauftrag entzieht und eine «Zwei-Klassen-Medizin» zwischen Kinder- und Jugendmedizin und Erwachsenenmedizin schafft. Sparmassnahmen lösen keine Probleme, sie verschwinden nicht, wenn man sie auf der einen Ebene ignoriert, sie verlagern sich nur. So werden aus Kindern mit ungelösten beziehungsweise unbehandelten Problemen Erwachsene mit eben diesen und im Worst Case noch verschlimmerten Problemen.
Wie sieht es die Fachgesellschaft in der Kinder- und Jugendmedizin Pädiatrie Schweiz?
Auch aus der Sicht des Vorstands von Pädiatrie Schweiz ist dieses Angebot ungenügend. Das Kernanliegen von SwissPedDose ist die Bereitstellung von transparent entwickelten, national harmonisierten und kontinuierlich aktualisierten Dosierungsempfehlungen, die unabhängig von echten oder empfundenen Partikularinteressen sind. Zudem soll die Datenbank nicht nur ambulant tätigen Pädiaterinnen und Pädiatern kostenlos zur Verfügung stehen, sondern auch Spitälern und Apotheken.
Was ist der Zweck der Datenbank für Kinderarzneimittel und was bedeutet sie konkret für die Behandlung von Kindern?
Arzneimittel werden in der Regel für Erwachsene entwickelt, an ihnen klinisch erforscht und basierend darauf auch nur für Erwachsene zugelassen. Das hat Folgen für die Arzneimittelabgabe bei Kindern: Bei Kindern werden oft Arzneimittel eingesetzt, die nur für Erwachsene («Off-Label-Use») oder noch gar nicht zugelassen («Unlicensed- Use») sind. Die entsprechende «offlabel » und «unlicensed» Anwendung basierte lange Zeit auf individuellen Erfahrungen und Literaturquellen. Um die Versorgung und die Sicherheit der Anwendung von Arzneimitteln bei Kindern zu verbessern, wurden mit der ordentlichen Revision des Heilmittelgesetzes (HMG) Massnahmen ergriffen. Eine dieser Massnahme bezieht sich auf Informationen zur Dosierung von Arzneimitteln bei Kindern: Mit «SwissPedDose» wurde eine Datenbank aufgebaut, die harmonisierte Dosierungsempfehlungen für Kinder enthält und Medizinfachpersonen kostenlos zur Verfügung steht. Das heisst, dass die Daten von einer Vielzahl von Expertinnen und Expert überwacht und harmonisiert werden, sodass wir in der Schweiz eine Quelle für Medikamentendosierung haben, von der alle wissen, dass sie auf dem aktuellsten Stand ist und von Experten geprüft.
Wie schätzen Sie das Risiko ein, dass Kinder durch fehlerhafte Dosierungen von Medikamenten gesundheitlich gefährdet werden könnten, wenn die Datenbank nicht mehr unterstützt wird?
Es geht nicht nur um das mögliche steigende Risiko von fehlerhaften Dosierungen, sondern auch und vor allem darum, dass die öffentliche Hand, das BAG, seine Verantwortung nicht wahrnimmt. Es kann nicht sein, dass eine sehr gute, kosteneffiziente, erprobte Lösung wegfällt und möglicherweise durch eine private, deutlich kostenintensivere, aber nicht gleichwertige Lösung, ersetzt wird. Sie verabschiedet sich aus der Verantwortung, für Kinder die gleiche Qualität der Medikamentendosierung anzubieten wie für Erwachsene. Mit SwissPedDose hat man in sehr kurzer Zeit und mit ein paar wenigen Klicks Zugriff auf die aktuellste verfügbare Ressource für eine optimale Dosierung eines Medikaments. Wenn das nicht vorhanden ist, muss jeder Arzt selbst in die Literatur gehen, um das möglichst optimale für jeden einzelnen Patienten herauszufinden. Und man ist immer noch nicht sicher, ob diese Dosierung durch Experten in der Schweiz abgesichert ist und ob dieses Medikament in der Schweiz überhaupt verfügbar ist. All das übernimmt SwissPedDose.
Was fordern Sie konkret von den Verantwortlichen in Bundesrat und Parlament, um die Versorgung und Sicherheit von Kindern in der Schweiz zu gewährleisten?
Patientensicherheit darf nicht erst ab 18 beginnen. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie haben spezielle Bedürfnisse und diese müssen bei den politischen Entscheidungen mitgedacht und entsprechend berücksichtigt werden. Kindermedizin ist der falsche Ort für Sparmassnahmen.
Können Sie uns mehr darüber erzählen, wie die UN-Kinderrechtskonvention und die Charta für Kinder im Spital, auf die sich Kind + Spital stützt, in ihre Arbeit einfliessen und welche Bedeutung sie im aktuellen Kontext haben?
Die zehn Punkte der EACH-Charta (European Association for Children in Hospital) leiten sich ja aus den 54 Artikeln der UN-KRK ab. Zentral ist sicher Art. 3: «Vorrang des Kindeswohls bei Entscheidungen». Der passt immer. Und vieles, was bei einem Spitalaufenthalt oder Arztbesuch inzwischen ganz selbstverständlich ist, haben wir in den vergangenen Jahren bereits erreicht. Zum Beispiel, dass Eltern, wenn immer möglich, bei ihrem Kind im Spital übernachten dürfen oder es in die OP-Vorbereitung begleiten können. Das steht in Art. 9 der UN-KRK, dass ein Kind nicht gegen seinen Willen von seinen Eltern getrennt wird. Im aktuellen Fall ist es Art. 24 der UN-KRK: «das Recht auf das erreichbare Höchstmass an Gesundheit», der betroffen ist. Und obwohl die Schweiz die UN-KRK ratifiziert hat, hat sie die Entscheidung getroffen, SwissPedDose nicht weiter zu finanzieren, was diesem Artikel diametral entgegensteht. Hier zu insistieren, ist wichtig und ein Punkt, wo wir - auch gemeinsam mit unserem Netzwerk - ansetzen können.
Können Sie abschliessend erklären, warum die Erhaltung der Kinderrechte für die Zukunft wichtig ist?
Die Einhaltung der Kinderrechte ist keine Option, die man wählen kann, wenn es einem passt oder man nicht drumherum kommt, sie sind immer gültig. Und unseren Kindern die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen, sich zu entwickeln sind doch die sinnvollste Investition in die Zukunft, die die Schweiz machen kann!
Der gemeinnützige Verein Kind+Spital kämpft für die Rechte von Kindern und Jugendlichen im Gesundheitswesen. Wer seine Arbeit und den Einsatz für die Kinderrechte sinnvoll findet, kann ihn mit einer Spende oder Mitgliedschaft unterstützen. www.kindundspital.ch
Uwe Guntern
Die Datenbank für Kinderarzneimittel
Ziel von SwissPedDose ist es, die vormals individuellen Erfahrungen und Literaturquellen hinsichtlich der Dosierung von Arzneimitteln bei Kindern schweizweit abzugleichen und zu harmonisieren. Durch die Nutzung der Datenbank durch Medizinfachpersonen soll die Sicherheit in der Anwendung von Arzneimitteln bei Kindern verbessert werden. Hinter SwissPedDose steht der Verein SwissPedDose mit den acht grössten Schweizer Kinderkliniken, der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie (SGP) und dem Schweizerischen Verein der Amtsund Spitalapotheker (GSASA), also ein breit aufgestelltes Netzwerk an Fachwissen. Eine vom BAG in Auftrag gegebene und 2022 abgeschlossene Situationsanalyse zeigt auf Basis verschiedener Erhebungen auf: SwissPed-Dose ist in Kinderspitälern weitgehend bekannt und wird dort genutzt. Weniger bekannt ist die Datenbank im ambulanten Bereich. Die Qualität von SwissPed- Dose wird in der Branche sehr positiv beurteilt. Die Studie empfiehlt, SwissPedDose weiterzuführen und deren Bekanntheit im ambulanten Bereich zu erhöhen.
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