Wohnungsnot
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Reinhold Messner gehört zu den berühmtesten Bergsteigern der Welt. Der Südtiroler ist bekannt als Natur- und Tierschützer, der seine Meinung über die Entwicklung der Welt offen kommuniziert und deshalb gleichermassen Freunde und Feinde hat. Die begleitete Vorführung seines neusten Dokumentarfilms führt Reinhold Messner anfangs November auch nach Cham.
Reinhold Messner. Sie haben
gerade Ihren 80 Geburtstag gefeiert. Wir gratulieren herzlich. In diesem Alter lehnen sich viele zurück. Warum ist das Leben als ruhender Pensionär nichts für Sie?
Ich will mir nach wie vor meinen Lebensunterhalt verdienen. Solange ich mich fit fühle und mit meinen Ideen die Welt mitgestalten darf, bin ich glücklich. Wenn man beginnt, nur noch zurückzuschauen, ist das ein Zeichen, dass es zu spät ist, alles was einem gelang, scheint dann vorbei zu sein.
Auch Sie wagen den Rückblick. Aktuell sind Sie auf Vortragsreise mit ihrem neuen Dokumentarfilm «Sturm am Manaslu». Inhalt ist die Expedition im Jahr 1972 auf diesen Achttausender im Himalaja und das Wiedersehen mit Ihren damaligen Weggefährten. Warum ist gerade diese Expedition zum Filmthema geworden?
Ich habe in den letzten Jahren generell ein paar Erlebnisse und Geschichten herausgegriffen, um sie zusammen mit einem Team von einem neuen Standpunkt aus zu betrachten. Der neue Dokumentarfilm entstand, als wir entschieden haben, dass wir ihn gegenüber Familienmitgliedern damaliger Teilnehmer verantworten können.
Sie sprechen damit an, dass zwei Teilnehmende die Expedition damals nicht überlebt haben. Wie haben Sie das Wiedersehen und die Diskussion mit Ihren anderen Begleitern in Erinnerung?
Es war nicht das erste Mal, dass wir uns wieder getroffen haben. Aber dieses Mal ging es primär darum, und gegenseitig die tragische Geschichte zu erzählen und wie wir damit zurechtkommen. Diese Diskussion macht den grossen Teil des Films aus. Die Bilder der Expedition und das eigentliche Geschehen kommen nur rudimentär vor. Wir agieren im Film als Schauspieler mit realem Hintergrund.
Bei Ihren unzähligen Besteigungen der Berge dieser Welt war der Tod da und dort einer der Begleiter. Im Himalaja ist auch einer Ihrer Brüder ums Leben gekommen. Wie gingen Sie damit um, dass das was Sie tun, eigentlich immer gefährlich ist?
Der traditionelle Alpinismus ist nur dort möglich, wo auch der Tod eine Möglichkeit ist, der traditionelle Alpinismus findet dann statt, wenn ich dem Tod entgehen kann. Das ist eine Kunst, denn der Berg ist immer mächtiger als der Mensch. Es ist aber nur eine Kunst, wenn diese Gefahr dabei ist, wenn ich sie herausnehme, ist es was anderes. Das beste Beispiel ist das Indoor-Klettern. Dieser findet in klimatisierten Hallen statt. Es ist ein grossartiger Sport, aber hat nichts mit Alpinismus zu tun.
Zurück zum Dokumentarfilm. Sie zeigen «Sturm am Manaslu» am 5. November im Lorzensaal in Cham. Wie wird diese Filmvorführung ablaufen?
Ich werde zuerst einen kurzen Vortrag halten. Dann findet die Filmpremiere statt. Nachher werde ich zusammen mit dem Publikum diskutieren. Ich mag das Erzählen auf der Bühne, diese greifbare Nähe. Die Menschen, die mich erleben wollen, erleben mich in einem Vortragssaal unmittelbar und unvermittelt.
Sie sind auch Autor und haben 50 Bücher herausgegeben. Ihr neustes Werk heisst «Gegenwind» - Wachsen an Widerständen und ist Ihre Biografie. Wie schauen sie auf ihr Leben, das auch viele Kontroversen oder Anfeindungen ausgelöst hat?
Ich sage nicht nur, was ich denke, ich setze es auch um. Meinen Ideen, Besteigungen, Museen oder Bücher gefallen deswegen – oder eben nicht. Das Nachhaltige, die Konstante in meinem Leben sind kontroverse Themen. Das bleibt über meinen 80. Geburtstag hinaus.
Die Messner Mountain Foundation konzipiert die Hilfe zur Selbsthilfe. Es geht darum, den Einheimischen hoch oben in den Bergen des Himalaja, Karakorum, im Hindukush, in den Anden oder im Kaukasus mit Landwirtschaft und Tourismus das Überleben zu sichern. Wie viel haben Sie mit dieser Stiftung erreicht?
Wir haben mit der Stiftung sehr viel erreicht. Sie generiert mit Fernsehauftritten viel Geld, und dieses Geld muss ausgegeben beziehungsweise für Nützliches eingesetzt werden. Wir konnten in den angesprochenen Gebieten vier Schulen bauen. Kinder müssen lernen, schreiben und lesen können, sonst sind sie für da Leben verloren. Nach dem grossen Erbeben 2015 im Nepal konnten wir mit unseren Mitteln ein Spital wieder aufbauen. Krankenhäuser, Hütten für den Tourismus, Direkthilfe für Bauern in diesen Regionen – das soll auch nach meinem Tod weitergehen. Denn ich schulde den Menschen dort viel, da sie mir in den Bergen mehr als einmal das Leben gerettet haben.
Sie halten natürlich immer noch ein Auge auf die Bergwelt und propagieren das natürliche Bergsteigen. Im Moment erreichen uns unzählige Nachrichten von tödlichen Abstürzen bei Bergtouren allein in der Schweiz. Wie erklären Sie sich das?
Das Gleiche passiert aktuell auch in Deutschland oder Italien. Gerade jetzt zeigt sich wieder, dass die Hubschrauberrettung, die Sie in der Schweiz gut kennen, ein Erfolgsmodell geworden ist. Ohne diese Möglichkeit müsste das Bergsteigen verboten werden. Menschen, die in die Berge gehen, leben digital und haben den Kontakt zur Natur verloren, nicht alle, aber viele. Heutzutage sind die meisten Berggängerinnen und -gänger zwar gut ausgerüstet, aber dadurch unterschätzen sie vielfach die Gefahr, das Know-how fehlt. Ein Stein bricht aus der Wand, löst hundert andere Steine aus, die Menschen am Berg können nicht ausweichen, weil sie mit so einer Gefahr gar nicht gerechnet haben.
Der Natur- und Tierschutz ist Ihnen ein grosses Anliegen. Im Moment erleben wir eine Situation in der Welt wie vor 100 Jahren mit Autokraten an der Macht, denen die Umwelt ziemlich egal scheint. Auch sonst haben es grüne Anliegen vielfach schwer, eine Mehrheit zu finden. Warum lohnt es sich, den Kampf für eine bessere Umwelt aufrechtzuerhalten?
Mein Anliegen ist es, Frieden zwischen Tierschützern und Bauern zu vermitteln. Wenn es um den Wolf geht, dann scheiden sich die Geister. Bergbauern verlieren wegen dem Wolf viele Tiere, Tierschützer halten wiederum den Wolf für heilig, ohne daran zu denken, dass das Schaf genau so wichtig ist. Wenn wir es nicht schaffen, diese sektenartige Denken untereinander einzudämmen, wird das unsere Welt zerreissen. Wie Sie richtig sagen: Das Bild ist vor 100 Jahren. Wir sprechen nicht mehr von Nationalismus, sondern Sektiererei, es zählt nur die Meinung Einzelner. Damit ist nicht nur die Demokratie in Gefahr, es ist keine Korrektur möglich, das führt zu Bürgerkriegen oder leider noch viel mehr.
Ihr 80. Geburtstag hat den Anfang dieses Interviews gemacht, er bildet auch den Schlusspunkt. Warum würden Sie Ihr Leben noch einmal so leben, wie sie es gelebt haben?
Meine Hypothese ist die: Wir können gar nicht anders, das gilt auch für mich. Ich lebe genau so intensiv weiter, wie ich das immer getan habe. Und ich geniesse es bis am Ende. Das würde ich auch in meinem nächsten Leben so machen.
Reinhold Messner ist ein italienischer Extrembergsteiger, Abenteurer, Buchautor, Filmemacher, Museumsgründer und ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments (Verdi Grüne Vërc). Messner stand als Erster auf den Gipfeln aller vierzehn Achttausender der Erde, jeweils ohne Flaschensauerstoff. Ebenfalls als Erster hat er einen Achttausender im Alleingang bestiegen (Nanga Parbat 1978). Messner durchquerte die Antarktis, Grönland und die Wüste Gobi. Reinhold Messner ist am 17. September 80 Jahre alt geworden.
«Sturm am Manaslu», Filmvorführung mit Publikumsdiskussion, Dienstag, 5. November, 20 Uhr, Lorzensaal, Cham.
Renato Cecchet
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