Zeitgeschichte
Vor 70 Jahren fuhr das Tram in den Zuger Gemeinden
Hat SRF genügend fair über die Kandidatinnen und Kandidaten berichtet?
Um 19 Uhr läuft eine der beliebtesten SRF-Sendungen: «Schweiz aktuell». Thema der letzten Woche: Die Ergänzungswahl. Zu Wort kommen aber nur zwei Kandidaten. Nun herrscht Unverständnis; sogar bei einem der porträtierten Kandidaten. SRF wehrt sich: Wegen begrenzten Ressourcen habe man die Personen mit den «besten Chancen» ausgewählt.
Richtig Spannendes erfuhren die «Schweiz aktuell»-Zuschauerinnen und -Zuschauer wenig. Immerhin wissen sie nun, welchen Ausgleich und welche Leidenschaft zwei Kandidaten für ihr körperliches Wohlbefinden betreiben. Andreas Hausheer (Mitte) und Andreas Lustenberger (ALG) kandidieren für die Zuger Ergänzungswahl vom 15. Juni. Beim Rasenmähen finde er einen Ausgleich zu den vielen Sitzungen, schmunzelte der 52-jährige Hausheer, als ihn SRF zu Hause besuchte. Wenn er so mit dem Rasenmäher durch den Garten ziehe, dann sehe er gleich, was er geleistet habe. Danach wurde Lustenberger vorgestellt. «Mit Schwung und Rädli unterwegs», begann die Einleitung. «Velofahren ist eine grosse Leidenschaft von mir», bestätigte der sportliche Politiker.
Dreieinhalb Minuten widmete sich «Schweiz aktuell» vorletzten Dienstag den beiden Kandidaten. Eigentlich gibt es sechs Kandidierende. Aber Hausheer und Lustenberger hätten die «besten Chancen», klärte SRF-Moderator Mario Torriani die Zuschauer auf. Zum Schluss wurde die anderen vier Kandidaten wenigstens namentlich erwähnt. Das dauerte handgestoppt 12 Sekunden: Carina Brüngger (FDP), Tabea Estermann (GLP), Stefan Thöni (Parat) und Andy Villiger (parteilos). Die Zuger Woche lud alle sechs Kandidierenden zur Diskussionsrunde ein. Im Journalismus hat sich der Begriff der «abgestuften Chancengleichheit» breit gemacht. Journalistinnen und Journalisten behandeln Kandidierende abhängig ihrer «Bedeutung» im Wahlkampf. Diese Haltung vertreten manche Journalisten. Die Selektionierung erfolgt häufig auch ökonomischer Überlegungen. Es ist günstiger, nur einen Teil der Kandidaten und Kandidatinnen zu porträtieren. Bei der SRF-Sendung stellt sich aber trotzdem die Frage nach der Verhältnismässigkeit: 210 Sekunden für Lustenberger und Hausheer, je 3 Sekunden für Brüngger, Estermann, Thöni und Villiger? Man habe über Ersatzwahlen in den Kantonen generell nur beschränkten Sendeplatz zur Verfügung, erklärte SRF auf Anfrage. Es sei deswegen unmöglich gewesen, über sechs Kandidierende gleichermassen zu berichten.
Wie kommt SRF auf die Einschätzung, dass Lustenberger und Hausheer die besten Wahlchancen haben? «Der Entscheid basiert auf der Auswertung der Wählerstärke der Parteien im Kanton Zug» Die Rechnung der SRF geht folgendermassen: «Die Mitte will einen Sitz verteidigen, der rein rechnerisch den Linken zusteht. Die Linken sind seit mehreren Jahren nicht mehr in der Regierung vertreten. FDP und SVP sind gemäss ihrer Wählerstärke in der Regierung vertreten.»
Mit diesem Ansatz ist Tabea Estermann nicht einverstanden: «Am Ende geht es bei Majorzwahlen immer um Persönlichkeiten, und es kann durchaus auch Überraschungen geben.» Sie hat darum eine Art Beschwerdebrief an SRF geschickt. Ähnlich argumentiert Carina Brüngger: «Gemäss Zuger Verfassung wird die Regierung im Majorzverfahren gewählt. Daraus folgt: Ein freiwerdender Sitz gehört nicht einer Partei – er gehört dem Volk.» Noch weiter geht Stefan Thöni. Er wirft dem Sender Wahlbeeinflussung vor. Selbst Lustenberger, über den SRF ausführlich berichtete, wundert sich im Nachhinein über die Berichterstattung und die Auslassung der anderen Kandidaten: «Der Entscheid der Redaktion hat mich ebenfalls überrascht.» Andreas Hausheer hat mit der Auswahl hingegen kein Problem. Er schreibt: «Die redaktionellen Inhalte und die publizistische Verantwortung liegt bei den Verantwortlichen von SRF.»
Nur der parteilose Andy Villiger nimmt die Sendung von «Schweiz aktuell» mit Galgenhumor: «Für ältere SRF-Zuschauer war das schon ok. Wer schaut das noch?» Die vier unerwähnten Kandidaten haben aber noch eine Chance in einem anfallenden zweiten Wahlgang doch noch von SRF berücksichtigt zu werden. «Am Wahlsonntag wird eine Reporterin oder ein Reporter in Zug vor Ort sein und über die Wahlergebnisse aller Kandidierenden berichten.», schreibt der Sender. «Sollten die nicht porträtierten Kandidierenden dabei auffallend abschneiden und/oder sich entscheiden, für einen zweiten Wahlgang zu kandidieren, werden wir selbstverständlich entsprechend auch später darüber berichten.»
Beni Frenkel
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